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Froher Pfingstlauf in Arnsberg

Zum frühen Aufstehen an diesem Sonntag frage ich mich ernsthaft, ob mich ausgerechnet zu Pfingsten der Heilige Geist… oder sogar alle guten Geister verlassen haben: Es schüttet in Essen so, dass man eigentlich weder Hund noch Pfingstochse vor die Tür jagen mag. Doch sobald ich im Auto sitze, verschwindet der letzte Regenguss – juchuh, auf der A40 bei Bochum kommt sogar die Sonne raus!

Der Start ist keine Auto-Stunde von Kray entfernt. Ich komme allerdings nicht pünktlich zum offiziellen Start des 12-Stundenlaufes um 6 Uhr. Ich werde trotzdem (oder genau deswegen?) so herzlich willkommen geheißen, dass ich das Gefühl habe bei einem Pfingst-Familientreffen zu sein. Als gutes Omen werte ich, dass ich meine Glückzahl ‚42‘ als Startnummer bekomme.

Zu den alten Bekannten, die ich heute neben den beiden Hauptverantwortlichen Yvonne und Christian wiedersehe, gehören auch die beiden „Pfingstochsen“ (zwei Hochlandrinder, die in der Nähe gezüchtet werden). Sie sind mir schon aus den letzten Jahren bekannt; äußerst kooperativ blicken sie genau in die Kamera auf der ersten Runde – danach wird es ihnen ebenso wie meiner Kamera erst mal zu nass.

Denn nach einer komplett trockenen erste Runde (prima, so bin ich warmgelaufen) schenkt mir der Himmel im Wechsel pladdernassen Regen (Erkenntnis des Tages: Es ist völlig egal, ob klatschende Zuschauer oder klatschende Regentropfen – Du läufst einfach weiter!), fönartigen Wind zum wieder trocken Pusten, strahlende Sonne und das Ganze dann wieder von vorne! Naturgemäß genieße ich deshalb die Abschnitte, die ich sonst schon mal herbeisehne (Hauptsache, Asphalt und platt) diesmal so gar nicht, weil ich da dem Regen und Wind sehr viel mehr schutzlos ausgeliefert bin als im Wald. Dafür ist dort spätestens ab 12 Uhr, wenn die 6-Stundenläuderinnen und -Läufer mit unterwegs sind, die Strecke an manchen Stellen so, dass ich wünschte, ich wäre eine bessere Ski-Fahrerin – dann könnte ich die glatt-matschige Stellen wenigstens etwas eleganter herunterschlittern: Is nich, zwischendurch hallte es meine dezent-gebrüllten Flüche durch den Wald, insgesamt lege ich mich viermal sehr unelegant hin (bevor jemand fragt: nein, festhalten geht nicht und wenn doch, fasst man in dornige Brombeer-Sträucher).

Damit bin ich aber heute in guter Gesellschaft merke ich irgendwann auf der Strecke, auf der man mit seinen Gedanken und der Natur überwiegend alleine ist. Trailschuhe und Laufstöcke hin oder her – viele der Läuferinne und Läufer sehen so aus, als seien wir hier bei einer Mischung aus Schlamm-Catchen und „tough mudder“: Es gibt zwar keine Stromschläge aber dafür kurz vor Ende einer jeden Runde nach wie vor eine Stelle, an der man sich per Seil einen schrägen Anstieg hochziehen muss, um zum Startpunkt zurückzukehren. Ein bisschen stolz merke ich hier, dass sich Fitnessstudio tatsächlich auszahlt – ich komme nicht unbedingt graziler aber doch leichter als sonst hier hoch.

Das im Matsch Landen hat einen unfreiwillig-lustigen Nebeneffekt: Nahezu alle Rundenläufer rufen sich gegenseitig bei jeder Begegnung war Nettes zu. Den wie sonst auch hier üblichen Gruß „yeah, sauber!“ erwidere ich irgendwann grinsend mit „Hey, das nimmst Du zurück!“.

Manches ändert sich nie in Arnsberg: Die schon angesprochene grundfreundliche Willkommensatmosphäre mit großartigem Läufer-Buffet, der gut gefüllte Startbeutel (die Farbe darf man sich wie immer aussuchen), tja, und die bekloppte Strecke (nachts zur groben Orientierung beleuchtet). Glücklicherweise steht von all dem, was einem ‚Straßenkind‘ wie mir Angst einjagen könnte, nichts in der Ausschreibung… nur der Hinweis, dass Trailschuhe empfohlen sind – tja, die besitze ich leider nicht. Ich nehme nicht nur Trailschuhe wahr bei fast allen meiner gut gelaunten Mitläufern, die gestern Abend bereits um 18 Uhr zum 24h-Lauf aufgebrochen sind, sondern auch viele Laufstöcke zur Unterstützung … „Arnsberger Nächte sind lang!“ summt es mir durch den Kopf. Für mich sind Menschen, die hier auch nachts laufen können, der helle Wahnsinn: Knappe 100 Meilen (159,8 km) werden es zum Schluss beim Sieger des 24-Stundenlaufs sein, großen Glückwunsch an Dietmar Birkhölzer! Ebenso herzlichen Glückwunsch an die Siegerin des 12-Stundenlaufes, Rieke Geisler-Schlaghecke (89,3 km) und an Mario Schröer, der mit 56,4 km den 6-Stundenlauf gewinnt!

Einige behutsame Neuerungen gibt es zum fünften Jubiläum des Laufes aber auch auf der Runde: Dixiklos kurz nach der Hälfte, die sich malerisch in die Landschaft einfügen, und ein neues festgeschraubtes Gitter, das hilft, einen kleinen Bachlauf sicher zu überqueren. Die Strecke wartet neben den 30 Treppenstufen auf jeder Runde und zwei Unterführungen (Achtung, an der zweiten nicht die Birne stoßen!), ordentlich Höhenmetern auch mit minutiös ausgeschilderten Kilometern auf, das motiviert die insgesamt 45 Läuferinne und Läufer – wegen des Wetters sind es diesmal etwas weniger als in den letzten beiden Jahren.

Ich bin mir zwischendurch nicht mehr ganz sicher, ob ich 9 oder 10 Runden bis Marathon brauche. Kein Problem, denn in jeder – wirklich jeder! – Runde begrüßt Veranstalterin Yvonne alle wieder Vorbeilaufenden per Mikro und sagt auch mir nach 9 Runden (und etwas mehr als 7 Stunden) „Glückwunsch zur Marathondistanz!“ – reicht mir für meine Nr. 84 und ich fahre sehr zufrieden (und frisch geduscht – meine „braunen“ Beine sehen danach wieder normal aus) nach Hause.

Ganz ehrlich, eure Strecke bleibt für mich als Asphaltläuferin nach wie vor eine Riesenüberwindung: Es ist eure Gastfreundschaft, die mich sehr gerne auch im nächsten Jahr (zur dann schon 6. Auflage des Ruhrschleife-Laufs) wiederkommen lässt; danke!

Bericht und Foto: Wibke Harnischmacher